Abriter schrieb:Ja, es kommt ganz sicher auf die Art der Tätigkeit an. Bei körperlichen Tätigkeiten ist schnell eine Grenze erreicht, besonders wenn man älter ist.
Andererseits gibt es jede Menge Berufe/Branchen, die Berge von Überstunden schieben. Z.B. Polizisten, Klinikpersonal (ärztliches bis pflegerisches) u.v.m.
Genau das ist ein weiterer Punkt , warum ich eine 4 Tage Woche nicht unbedingt befürworte .
Sie birgt nämlich auch eine ganze Menge sozialen und gesellschaftlichen Sprengstoff , weil sie in vielen Berufsfeldern ohne erhebliche Personalaufstockungen gar nicht machbar ist .
Es ist ja schön für Banker oder Mitarbeiter der Versicherungsbranche , dass sie außer Homeoffice auch noch ihre Tätigkeit auf 4 Tage in der Woche reduzieren können , Patienten wollen aber 7 Tage gepflegt werden , ebenso wie sich Brände , Unfälle und Straftaten auch nicht auf 4 Tage komprimieren lassen .
Nicht nur , das in diesen Berufsfeldern dann beim realisieren solcher Arbeitszeitmodelle eine erhebliche Personalaufstockung notwendig wäre , Personal was es heute schon gar nicht mehr gibt , nein es würden sich auch immer mehr Menschen fragen , warum sie sich solche Berufe überhaupt noch antun sollten , in denen sie dann sowas allenfalls im Schichtsystem praktizieren könnten in dem sie trotzdem zumindest wechselweise Wochenenden und Feiertage arbeiten müssen .
Sozialneid und immer größere Probleme dabei , bestimmte Berufsfelder überhaupt noch zu besetzen wären nach meiner Ansicht Begleiterscheinungen solcher Arbeitszeitmodelle , wenn sie im größeren Umfang praktiziert werden .
Schaut man sich den Arbeitsmarkt heute an , stellt man eben einen immer größer werdenden Arbeitskräfte Mangel fest , der inzwischen nicht mehr nur auf Facharbeiter beschränkt ist .
In solchen Situationen mit Modellen zur weiteren Arbeitszeit Reduzierung zu experimentieren , halte ich da für ziemlich kontraproduktiv .
Gut auch gerade beim Streik der Lokführer zu merken , auch hier werden seitens der Arbeitnehmer Verkürzungen gefordert , die mit dem verfügbaren Personal einfach nicht realisierbar sind .
In der derzeitigen Lage wäre es eher sinnvoller über Arbeitszeitverlängerungen zu diskutieren , einer generellen Rückkehr zur 40 Stunden Woche zum Beispiel .
Der Punkt ist eben auch , dass ich diese Maßnahmen an der Arbeitsrealität vorbei in meinem Jahr bei der Post selbst erlebt hab . Auch da meinte Verdi mit einer Begrenzung der Arbeitszeit auf maximal 10 Stunden pro Tag was verbessern zu können .
Was das bewirkt hat , war nur eine massive Erhöhung des Stresses und des Arbeitsdrucks auf die Zusteller , weil Paketmengen und Größe der einzelnen Touren dadurch eben nicht kleiner wurden , ganz im Gegenteil .
Folge daraus und auch in der gesamten Logistikbranche war eine massive Erhöhung von Krankenstand und Fluktuation , weil den Stress hält keiner lange durch und den tut sich freiwillig auch keiner länger an , als er muss .
Dazu kommt eben die Erhöhung der Unfallgefahr , tätest du heute auf den Touren von Paketdienstleistern und Postzustellern mal flächendeckend blitzen , hätten wohl über Nacht die Hälfte der Zusteller keinen Führerschein mehr , weil sie alle fast ohne Ausnahme rasen wie die Gestörten , weil sie ihr Pensum sonst nicht schaffen .
Auch im Einzelhandel stehen immer länger gewordene Öffnungszeiten gegen einen Wunsch nach Arbeitszeitverkürzungen , auch hier wäre sowas nur durch massive Aufstockung des Personals machbar , was aber am Arbeitsmarkt gar nicht vorhanden ist .
Am Ende bewirken solche Experimente derzeit nur massive Ungleichheiten am Arbeitsmarkt , eine Unterteilung in Branchen wo man eben Glück hat und andere wo man halt die Arschkarte gezogen hat .
Ich halte das nicht für gut , die Unterschiede sind heute schon groß genug , man sollte sie nicht noch weiter forcieren .