von M.M Mo 06 Jun 2022, 19:32
Ausgerechnet auf der Unglücksstrecke bei Garmisch-Partenkirchen sollten noch in diesem Monat Schienen erneuert werden. Derzeit gilt ein technischer Defekt als Ursache für den Unfall mit fünf Toten und 44 Verletzten. Die Bahn lässt Fragen zu den geplanten Arbeiten unbeantwortet.
Auch drei Tage nach dem schweren Zugunfall bei Garmisch-Partenkirchen mit fünf Toten und 44 Verletzten ist die Ursache noch ungeklärt. Derzeit gilt ein technischer Defekt am Zug oder am Gleis als wahrscheinlichster Grund, ermittelt wird aber in alle Richtungen. Ins Visier der Ermittler dürften auch Bauarbeiten geraten, die nach WELT-Informationen in wenigen Tagen auf genau dem Streckenabschnitt geplant waren, auf dem der Regionalzug am Freitag verunglückte.
Die geplanten Arbeiten samt Streckensperrung finden sich auf einer Liste von Baumaßnahmen der DB Netz AG, einem Tochterunternehmen der Deutschen Bahn, das für die Infrastruktur des Staatskonzerns zuständig ist. Unter den Nummern 3258, 3259 und 3260 finden sich dort drei Einträge zu Arbeiten auf der Strecke München-Mittenwald auf dem Abschnitt zwischen Oberau und Garmisch-Partenkirchen. Dort liegt auch der Ort Burgrain, wo der Unfall geschah.
Laut dem Zeitplan der DB Netz AG sollte zunächst in der Nacht vom 25. Juni 2022 zwischen 2.35 Uhr und 5 Uhr früh eine „Gleislageberichtigung“ zwischen Oberau und Farchant stattfinden. Eine Woche später wollte die Bahn dann am 1. Juli zwischen 0.55 Uhr und 4.55 Uhr eine „Schienenerneuerung“ durchführen. Für beide Arbeiten sollte die Strecke in diesen Zeiten gesperrt werden. Vom 5. bis 9. Juli sollten dann jeweils nachts in Garmisch-Partenkirchen Schienen erneuert werden.
Überhöhte Geschwindigkeit als Unfallursache ausgeschlossen
Die Deutsche Bahn ließ konkrete Fragen von WELT zu den geplanten Arbeiten und einem möglichen Zusammenhang mit dem Unfall zunächst unbeantwortet. „Wir bitten um Verständnis, dass wir uns aufgrund der laufenden Ermittlungen hierzu derzeit nicht äußern können“, teilte ein Sprecher des Konzerns am Pfingstmontag mit. „Selbstverständlich setzen wir alles daran, die ermittelnden Behörden bei der Aufklärung der Unfallursache zu unterstützen.“
Unbeantwortet bleiben so unter anderem die Fragen, ob die Arbeiten aufgrund von konkreten Schäden angesetzt worden waren, wenn ja, wann und wie sie festgestellt worden waren und warum sie nicht unverzüglich umgesetzt wurden. Offen ist auch, ob es Warnungen oder Geschwindigkeitsbegrenzungen auf der Strecke wegen der offenbar notwendigen Arbeiten gab.
Bereits kurz nach dem schweren Zugunglück wurde nach dem Auslesen des Zugdatenspeichers überhöhte Geschwindigkeit als Unfallursache ausgeschlossen. Im Mittelpunkt der Ermittlungen stehe technisches Versagen oder die Infrastruktur, erklärte ein Sprecher der unabhängig tätigen Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung (BEU).
Sie beschlagnahmte den kompletten Zug, und die Experten untersuchen vor Ort die Gleise auch auf sogenannte Gleislagefehler. Mit dem Begriff werden Abweichungen in der Höhe oder Breite des Schienenfahrwegs von den gewünschten Maßen beschrieben, vergleichbar mit einer Bodenwelle bei einer Straße. Dies kann das Entgleisen eines Zuges auslösen.
Quelle "Welt"